Am 15. Februar 2024 ist im Verlag C.H. Beck das Buch «Freiheit, Rausch und schwarze Katzen. Eine Geschichte der Boheme» erschienen. [Link]
PARIS UND WIEN, MÜNCHEN UND BERLIN – DAS WILDE LEBEN DER BOHEME
Else Lasker-Schüler, Richard Dehmel, Edvard Munch, Oda Krogh, Henri Murger, Franziska zu Reventlow, August Strindberg, Frank Wedekind – sie alle gehörten der Boheme an, jener künstlerischen Subkultur, die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Wien und Paris, in Berlin und München entwickelte und durch ihren freizügigen Lebensstil, ihren rebellischen Geist und nicht zuletzt ihre prekären finanziellen Verhältnisse in Opposition zur gutbürgerlichen Gesellschaft geriet.
Dieses Buch erzählt ihre Geschichte.
Die Boheme revolutionierte die Ansichten darüber, was ein gutes Leben ausmacht. Und dies weniger in Texten und Manifesten als vielmehr im tätigen Leben mit all seinen Ambivalenzen. Andreas Schwab porträtiert nicht nur die Literaten und Künstlerinnen, die Männer und Frauen der Boheme, von denen diese Lebensstilrevolution ausging, er vergegenwärtigt auch die Orte, an denen sie sich trafen, wie die Kneipe „Das schwarze Ferkel“ in Berlin, das „Chat Noir“ im Pariser Montmartre, das „Café Stefanie“ oder das Kabarett „Die Elf Scharfrichter“ in München. So entsteht eine atmosphärisch dichte Beschreibung des Lebens der Boheme, die die von ihr ausgehende Faszination spürbar werden lässt. Bis heute wirken Dekadenz, Libertinage und Lotterleben nicht nur um einiges attraktiver als eine graue „Fortschrittstheorie“, in der Boheme wurden auch die Selbsttechniken entwickelt und gelebt, welche zur gesellschaftlichen Liberalisierung, zur Akzeptanz verschiedenster Lebensmodelle bis hin zu den Rechten von Minderheiten führten.
Foto: Annatina Blaser
Besprechungen
- Roman Kaiser-Mühlecker, SWR2 lesenswert [Link]
«Schwabs originelle Leistung besteht einerseits darin, dass er die Bohème von den sie umgebenden Mythen und Legenden befreit und auch ihre ambivalenten und dunklen Seiten beleuchtet: Ihr Desinteresse an konkreter politischer Gestaltung etwa, ihr hoffnungsvolles Warten auf einen „großen Knall“, ihre Arroganz gegenüber der Arbeiterbewegung, um nur einige Beispiele zu nennen.
Andererseits – die zweite originelle Leistung – rückt Schwab Frauen ins Zentrum seiner Darstellung, die bisher allzu oft lediglich als „Musen“ beschrieben worden sind. Zu nennen sind hier etwa die höchst erfolgreiche Varieté-Sängerin Yvette Guilbert, die avantgardistische Kinderbuchautorin Ida Dehmel, die Malerin Oda Krohg oder die streitbare Publizistin Laura Marholm.» - Andrea Gerk, Deutschlandfunkt Kultur, 6.3.2024 [Link]
«Dem Autor gelingt es so seinen Gegenstand auf unterhaltsame, erzählerische Weise zu vergegenwärtigen, ohne sich dabei, wie es inzwischen üblich ist, in die historischen Figuren hinein zu fantasieren und so zu tun, als wäre er selbst dabei gewesen.» - Martin Widmer, NZZ am Sonntag,
- Linda Pfanner, «Ich bin für wilde Kunst und langweilige Politik», Anzeiger Region Bern, 20. März 2024 [Link]
«Schwabs Buch wurde von seiner Wertehaltung beeinflusst. Die Lebensart der Bohème hatte aber auch einen Einfluss auf seine Politik. Denn nur eine freiheitliche Gesellschaft lasse eine Bohème zu. Daher sollte man laut Schwab kritisch gegenüber Autoritäten sein und das System, welches wir im Westen haben, erhalten. «Deshalb bin ich kein Pazifist im engeren Sinn», sagt Schwab.
Eine Gesellschaft solle Kunstschaffende hochschätzen und als Beispiel nehmen, sagt er. Schwab versucht sich politisch so zu verhalten. Umgekehrt findet er aber auch, dass Künstlerinnen und Künstler nicht die besseren Politiker wären. Er sei für «wilde Künstlerinnen und Künstler und langweilige Politik», die als Dienstleistung gesehen werden sollte, sagt Schwab.
Langweilig heisse nicht, dass nichts verändert werde, sondern dass Politik verlässlich sein und im besten Fall Probleme lösen sollte. «Kultur ist ein gutes Korrektiv für die Politik», sagt Schwab, denn sie agiere als Spiegel der Gesellschaft. Eine freiheitliche Gesellschaft unterstütze ihre Kulturschaffenden und lasse unterschiedliche Meinungen zu.» - Alexander Sury, Er ist für wilde Kunst und langweilige Politik, Der Bund, 27.3.2024 [Link]
«In seiner Sprechstunde wird der Gemeindepräsident grundsätzlich und bekennt, dass er für wilde Kunst und langweilige Politik einstehe. «Es ist besser, wenn Kunst ungezähmt ist. Politik dagegen sollte eine gewisse Verlässlichkeit haben.» Schwab bezeichnet sich als pragmatisch: «Ich habe ein sozialdemokratisches Menschenbild und bin kein Ideologe.»